Medizinischer Hintergrund: Die Plexusparese als Geburtsschaden

Die Plexusparese als GeburtsschadenMit einer Häu­fig­keit von 0,38 bis 1,56 Fäl­len auf 1000 Gebur­ten ist die Ple­xus­pa­re­se bei Kind ein häu­fi­ger geburts­trau­ma­ti­scher Scha­den. Er beschäf­tigt dadurch auch häu­fig die Gerich­te in arzt­haf­tungs­recht­li­chen Fäl­len, hier im Spe­zi­el­len im Geburts­scha­dens­recht. Denn auch die Fol­gen einer Ple­xus­schä­di­gung sind für die betrof­fe­nen Kin­der und ihre Ange­hö­ri­gen gravierend.

Bei einer Ple­xus­pa­re­se han­delt es sich um eine Stö­rung der Arm­be­we­gung und ‑sen­si­bi­li­tät durch eine Schä­di­gung des Arm­ner­ven­ge­flechts (Ple­xus bra­chia­lis). Pare­se bedeu­tet Läh­mung. Das Aus­maß der Arm­läh­mung, der Gefühls­ein­schrän­kun­gen (Sen­si­bi­li­tät) und der Wachs­tums­stö­run­gen der Extre­mi­tät hängt von der kon­kre­ten Ner­ven­schä­di­gung im Ein­zel­fall ab. Medi­zi­nisch umschrie­ben ist die Läh­mung in eini­gen Fäl­len als Erb-Läh­mung bzw. Erb’sche Läh­mung. Ein pro­mi­nen­ter Pati­ent war Kai­ser Wil­helm II., der als letz­ter deut­scher Kai­ser Zeit sei­nes Lebens unter den Fol­gen eines sol­chen Geburts­trau­mas litt. Zur dama­li­gen Zeit war dies ein erheb­li­cher Makel, der bei Kai­ser Wil­helm II. ange­sichts der Erhö­hung und erwar­te­ten Makel­lo­sig­keit sei­ner Per­son auch psy­chisch nicht ohne Fol­gen blieb. Auch wenn die Gesell­schaft heu­te sicher eine grund­le­gend ande­re Ein­stel­lung gegen­über Men­schen mit Behin­de­run­gen hat, führt eine geburts­trau­ma­ti­sche Ple­xus­pa­re­se auch heut­zu­ta­ge zu psy­cho­so­zia­len Fol­gen, die the­ra­peu­ti­sche und recht­li­che Kon­se­quen­zen nach sich ziehen.

Ursachen der Plexusparese

Eine Ple­xus­pa­re­se ent­steht meist durch über­mä­ßi­ge Zug­kräf­te am Ple­xus-bra­chia­lis-Ner­ven­ge­flecht wäh­rend der Geburt. Hier­durch kann es an den betrof­fe­nen Ner­ven zu Zug­schä­den, schlimms­ten­falls zu Aus­ris­sen, etwa an der Ner­ven­wur­zel, kom­men. Als Ursa­chen kom­men hier­bei ins­be­son­de­re in Betracht:

  • die Schul­ter­dys­to­kie, bei der sich nach dem zuerst aus­tre­ten­den Kopf des Babys die Schul­ter ver­hakt; dadurch kann es zu einem geführch­te­ten Geburts­still­stand kom­men, in des­sen Fol­ge adäqua­te medi­zi­ni­sche Not­fall­maß­nah­men ergrif­fen wer­den müssen;
  • der Ein­satz von mecha­ni­schen Hilfs­mit­teln bei der Geburt (Vaku­um­ex­trak­ti­on, Zangenextraktion);
  • bei kind­li­chem Sau­er­stoff­man­gel und Nabel­schnur­um­schlin­gun­gen,
  • die Ple­xus­pa­re­se als Fol­ge von Ner­ven­aus­ris­sen bei Steiß­ge­bur­ten (d.h. das Kind kommt mit den Bei­nen vor­weg auf die Welt);
  • über­mä­ßi­ger Zug bei Kai­ser­schnitt­ge­bur­ten.

Die kon­kre­te Gestalt der Ple­xus­pa­re­se und ihr Aus­maß hän­gen maß­geb­lich von den betrof­fe­nen Ner­ven­wur­zeln ab. Aus die­sem Grund kön­nen die Sym­pto­me auch sehr unter­schied­lich ausfallen.

Therapiemöglichkeiten bei Paresen durch Plexus-brachialis-Schädigungen

Die medi­zi­ni­sche Wis­sen­schaft hat eini­ge Mög­lich­kei­ten der The­ra­pie und Reha­bi­li­ta­ti­on der Ple­xus­pa­re­se her­vor­ge­bracht. Hier­zu gehört ins­be­son­de­re die früh­zei­ti­ge ope­ra­ti­ve Ner­ven­wie­der­her­stel­lung. Sie führt zu Funk­ti­ons­ver­bes­se­run­gen; gleich­wohl kön­nen lang­fris­tig ver­än­der­te Bewe­gungs­mus­ter, Mus­kel­schwä­chen und Gelenk­fehl­ent­wick­lun­gen ver­blei­ben. Dane­ben sind phy­sio­the­ra­peut­sche Maß­nah­men erfor­der­lich, um eben die­sen Fol­gen ent­ge­gen­zu­wir­ken und so die All­tags­kom­pe­tenz des Betrof­fe­nen zu ver­bes­sern. Auch Sekun­där­ein­grif­fe an Mus­keln und Seh­nen kön­nen erfor­der­lich sein.

Juristische Aufarbeitung von geburtstraumatischen Plexusparesen

In recht­li­cher Hin­sicht kann eine Ple­xus­pa­re­se einen Fall der Arzt­haf­tung im Geburts­scha­dens­recht begrün­den. Aller­dings ist nicht jeder Fall der Ple­xus­pa­re­se haf­tungs­re­le­vant. So kann eine sol­che Schä­di­gung auch dann auf­tre­ten, wenn Not­fall­maß­nah­men ergrif­fen wer­den müs­sen und zur Anwen­dung der Zug­kräf­te kei­ne medi­zi­nisch ver­tret­ba­re Alter­na­ti­ve besteht, etwa wenn die Gefahr der wesent­lich gra­vie­ren­de­ren hypo­xi­schen Hirn­schä­di­gung besteht.

Geburtsfehler kann Behandlungsfehler sein

Den­noch muss kon­kret im Ein­zel­fall geprüft wer­den, ob ein schuld­haf­ter Behand­lungs­feh­ler vor­liegt, aus dem die Haf­tung des Arz­tes oder der Heb­am­me begrün­det wer­den kann. Letzt­lich wird hier – wie so oft im Arzt­haf­tungs­recht – ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten, spä­tes­tens im Pro­zess, Klar­heit schaf­fen müs­sen. Rechts­an­walt Sebas­ti­an Krah­nert kann hier als Medi­zi­ner mit dem Sach­ver­stän­di­gen auf einer Ebe­ne spre­chen und daher im Medi­zin­recht ziel­füh­rend arbei­ten. Anhalts­punk­te für das Vor­lie­gen eines Behand­lungs­feh­lers kön­nen viel­fäl­tig sein und grei­fen an der Schwan­ger­schafts­be­treu­ung und der Fest­stel­lung von Risi­ko­fak­to­ren, die vor- und nach­ge­burt­li­che Betreu­ung sowie den Geburts­ab­lauf selbst an.

Hier­bei müs­sen Medi­zi­ner und Geburts­hel­fer Risi­ken für die Ple­xus­pa­re­se und ande­re Geburts­feh­ler erken­nen und mini­mie­ren; sie müs­sen auf Not­fall- und Kri­sen­si­tua­tio­nen medi­zi­nisch ange­mes­sen reagie­ren. Zudem wird gefor­dert, dass Kom­pli­ka­tio­nen hin­rei­chend doku­men­tiert sind. Doku­men­ta­ti­ons­män­gel gehen zulas­ten des Arz­tes oder der Heb­am­me. Liegt ein Behand­lungs­feh­ler vor, muss auch die Kau­sa­li­tät für den Gesund­heits­scha­den nach­weis­bar sein. Gege­be­nen­falls kann die Beweis­last auf die Arzt­sei­te kippen.

Hin­sicht­lich der Schul­ter­dys­to­kie müs­sen Risi­ko­fak­to­ren ermit­teln und die Schwan­ge­re dar­über auf­ge­klärt wer­den, etwa in Fäl­len sehr gro­ßer Kin­der (Makro­so­mie). Bei ris­kan­ten Gebur­ten muss ein erfah­re­ner Arzt die Geburts­hil­fe über­neh­men, um eine medi­zi­ni­sche Ant­wort auf Not­fäl­le zu ermög­li­chen, die Fol­gen wie die Ple­xus­pa­re­se ver­mei­det. Ansons­ten kann ein Fall des Über­nah­me­ver­schul­dens vor­lie­gen. Für das Auf­tre­ten von Schul­ter­dys­to­ki­en müs­sen in Kli­ni­ken orga­ni­st­a­to­ri­sche Vor­keh­run­gen getrof­fen sein. Gege­ben­falls ist eine Epi­sio­to­mie vor­zu­neh­men; ande­re Maß­nah­men, wie der bei Schul­ter­dys­to­kie abso­lut kont­ran­di­zier­te, d.h. medi­zi­nisch schlicht­weg ver­bo­te­ne Kristel­ler-Hand­griff, die eine Ple­xus­pa­re­se her­bei­füh­ren kön­nen, kön­nen (grob) behand­lungs­feh­ler­haft sein.

Ins­ge­samt muss der Ein­zel­fall einer geburts­trau­ma­ti­schen Ple­xus­pa­re­se betrach­tet und mit den Lini­en der Recht­spre­chung abge­gli­chen wer­den. Eine sol­che Prü­fung soll­te im Rah­men anwalt­li­cher Bera­tung erfolgen.

Schmerzensgeld und Schadensersatz

Lie­gen alle Vor­aus­set­zun­gen vor, sind regel­mä­ßig finan­zi­el­le Kom­pen­sa­tio­nen als Scha­dens­er­satz und Schmer­zens­geld für die erlit­te­nen Ein­bu­ßen vor­zu­neh­men. Ins­ge­samt kom­men im Rah­men einer Ple­xus­läh­mung dabei erheb­li­che Sum­men zusam­men. Denn neben dem Schmer­zens­geld für imma­te­ri­el­le Schä­den führt eine Ple­xus­pa­re­se zu mate­ri­el­len Fol­ge­kos­ten und umge­kehrt zu finan­zi­el­len Ein­bu­ßen. Hier­zu gehö­ren etwa Kos­ten für die Pfle­ge, The­ra­pie und Betreu­ung des Kin­des, Kos­ten für erfor­der­li­che Umbau­maß­nah­men der Woh­nung oder der Ver­dienst­aus­fall, also jeden­falls die behin­de­rungs­be­ding­ten Mehraufwendungen.

Nehmen Sie Konkakt mit uns auf

Unse­re Medi­zin­rechts­kanz­lei betreut auch Geburts­scha­dens­fäl­le, etwa bei einer Ple­xus­pa­re­se. Neh­men Sie mit uns Kon­takt auf, wenn Sie uns Ihren Fall vor­stel­len möchten.

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