Neues aus Sachsen: Arzt weigert sich, Flüchtlinge zu behandeln

Jus@Publicum (web.archive.org)Aus Sach­sen kom­men in der letz­ten Zeit häu­fi­ger wenig erfreu­li­che Nach­rich­ten. Lei­der steht die­ses Bun­des­land, das ansons­ten viel Schö­nes zu bie­ten hat, nicht im bes­ten Ruf, wenn es um da Will­kom­men­hei­ßen Frem­der geht. Aktu­ell berich­tet der Focus dar­über, dass sich ein Arzt aus Sach­sen wei­gert, Flücht­lin­ge medi­zi­nisch zu behan­deln. Prompt hat sich dem Bericht zufol­ge der Medi­zi­ner eine Beschwer­de bei der Lan­des­ärz­te­kam­mer eingehandelt.

Auch die Ärz­te­kam­mer Sach­sen wird in dem Arti­kel zitiert. Sie weist dar­auf hin, dass die Ver­wei­ge­rung einer Not­fall­be­hand­lung – auch von Flücht­lin­gen – straf­bar sei. Damit liegt sie rich­tig. Ver­wei­gert der Arzt eine Not­fall­be­hand­lung, trifft ihn – wie jeden Bür­ger – die all­ge­mei­ne Hilfs­pflicht, die mit der Straf­an­dro­hung der unter­las­se­nen Hil­fe­leis­tung sank­tio­niert wird (§ 323c StGB). Ein schär­fe­rer Maß­stab, etwa in Gestalt der Kör­per­ver­let­zung durch Unter­las­sen, trifft ihn nur, wenn er die Behand­lung zuvor über­nom­men hat. Nur dann ist er ein soge­nann­ter Garant.

Aber auch auch unab­hän­gig vom Straf­recht zeigt sich hier die Nähe zum ärzt­li­chen Berufs­recht. Die Ärz­te­kam­mer kann hier eige­ne Ermitt­lun­gen durch­füh­ren, wenn das Ver­hal­ten des Arz­tes Berufs­pflich­ten ver­letzt, die sich im Wesent­li­chen aus der jewei­li­gen Berufs­ord­nung erge­ben. Dies ist regel­mä­ßig dann der Fall, wenn der Arzt gegen ande­re Rechts­vor­schrif­ten im Rah­men sei­ner Tätig­keit ver­stößt. Die Ärz­te­kam­mer weist hier dar­auf hin, dass ein Ver­stoß gegen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) vor­lie­gen könn­te: Bei Ver­trags­schlüs­sen – hier eines Behand­lungs­ver­tra­ges – darf u.a. kei­ne ras­sis­ti­sche oder eth­ni­en­be­zo­ge­ne Dis­kri­mi­nie­rung statt­fin­den. Auch ansons­ten muss man sich die Fra­ge stel­len, ob ein sol­ches Ver­hal­ten stan­des­wid­rig sein könnte.

Eine Behand­lungs­ver­wei­ge­rung ist hin­ge­gen für sich genom­men nicht rechts­wid­rig. Es gilt auch hier grund­sätz­lich die Ver­trags­frei­heit. Der Arzt darf sich sei­nen Ver­trags­part­ner aus­su­chen, der Pati­ent eben­so. Anders ist es aber, wenn Ärz­te als Leis­tungs­er­brin­ger für die Gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen tätig wer­den, also der Ver­trags­arzt („Kas­sen­arzt“), die typi­sche Erschei­nungs­form der Arzt-Pati­en­ten-Bezie­hung in Deutsch­land. Dann ist er grund­sätz­lich zur Behand­lung ver­pflich­tet und darf die­se nur in engen Gren­zen des Ver­trags­arzt­rechts ablehnen.

Wo wir im Übri­gen wie­der beim The­ma sind, die medi­zi­ni­sche Behand­lung von Flücht­lin­gen. Dem Arti­kel im Focus zufol­ge monier­te der Arzt – im Übri­gen zugleich wohl ein AfD-Kom­mu­nal­po­li­ti­ker – die angeb­lich man­gel­haf­ten recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen die­ser Behandlungsfälle.

Der Focus zitiert ihn:

Es gibt kei­nen Behand­lungs­ver­trag mit den Kran­ken­kas­sen, und ich bin recht­lich nicht abge­si­chert, wenn ein Feh­ler passiert.“

Hier­zu gilt es anzumerken:

  1. Auch bei Kas­sen­pa­ti­en­ten gibt es einen Behand­lungs­ver­trag zwi­schen Arzt und Pati­ent. Nur der „Geld­fluss“ folgt spe­zi­el­len Regeln, weil die Ärz­te Leis­tungs­er­brin­ger der Gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen sind. Die Behand­lung von Pati­en­ten ohne Behand­lungs­ver­trag zwi­schen Arzt und Pati­ent ist in Deutsch­land eine abso­lu­te Rari­tät. Zwi­schen Arzt und Flücht­ling kommt daher regel­mä­ßig eben­falls ein Behand­lungs­ver­trag zustan­de. Unser säch­si­scher Arzt irrt, wenn er meint, er schlie­ße ansons­ten Behand­lungs­ver­trä­ge mit Krankenkassen.
  2. Hof­fent­lich ist der Arzt recht­lich abge­si­chert, wenn ein Feh­ler pas­siert – näm­lich über sei­ne Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung, die der für sei­ne ärzt­li­che Tätig­keit der Berufs­ord­nung zufol­ge haben muss. Auch hier besteht kein Unter­schied zwi­schen deut­schen und aus­län­di­schen Pati­en­ten, wenn sie durch Behand­lungs­feh­ler geschä­digt sind.
  3. Die Ärz­te­kam­mer Sach­sen hat auf ihre Inter­net­sei­te eine anschau­li­che Hand­rei­chung für Ärz­te gestellt, aus der die Rah­men­be­din­gun­gen der Behand­lung von Flücht­lin­gen umfas­send her­vor­ge­hen. Es kann nicht davon die Rede sein, dass hier wesent­li­che Unsi­cher­hei­ten bestehen. Auch muss nie­mand kos­ten­los arbeiten.

Ein Arzt begibt sich mit einer sol­chen Hal­tung also auf dün­nes Eis. Medi­zi­ner sind bei der Bewäl­ti­gung der Flücht­lings­la­ge in Deutsch­land wohl beson­ders gefragt. Das Enga­ge­ment vie­ler Ärz­te belegt dies ein­drucks­voll. Der Fall zeigt aus recht­li­cher Sicht aber, wie eng Straf­recht, Berufs­recht und Zivil­recht in medi­zin­recht­li­chen Fäl­len inein­an­der grei­fen. Soll­te es zum Rechts­streit kom­men, ist die Kon­sul­ta­ti­on eines Anwalts, der im Medi­zin­recht spe­zia­li­siert ist und die Beson­der­hei­ten erfas­sen kann, drin­gend anzu­ra­ten. Wie auch im Blog Jus@Publicum ange­merkt wur­de, bleibt abzu­war­ten, wie wohl die Lan­des­ärz­te­kam­mer Sach­sen auf den Fall abschlie­ßend reagie­ren wird: Sie hat sich jeden­falls zu einer klar­stel­len­den Pres­se­mit­tei­lung ver­an­lasst gesehen.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Frank Wösten
    30. Oktober 2016 14:28

    Sehr geehr­ter Herr Krahnert,

    wie sieht es denn tat­säch­lich mit der Sicher­stel­lung der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung der Flücht­lin­ge aus?
    1. da die Flücht­lin­ge in den ers­ten 15 Mona­ten nicht gesetz­lich kran­ken­ver­si­chert sind nach §4 Asyl­bLG kann aus mei­ner Sicht kei­ne Behand­lungs­pflicht aus­ser­halb von Not­fäl­len existieren…
    Wie sehen Sie das?
    Ich bin CA einer Zen­tra­len Not­auf­nah­me und schrei­eb gera­de eine Mas­ter­ar­beit zu die­sem The­ma, wes­halb ich auf Ihre mei­nung serh gespannt bin…
    Lie­be Grüsse

    Antworten

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